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Schule mit Migration überfordert? Forscherin: Politik hat nicht vorausgedacht – und versäumt, in Bildung zu investieren

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LEIPZIG. Die Chemnitzer Migrationsforscherin Prof. Birgit Glorius hat der Einschätzung des sächsischen Kultusministers Christian Piwarz (CDU) widersprochen, dass die Migration für die Überlastung der Schule – und damit für die schlechten Pisa-Ergebnisse – verantwortlich ist. Vielmehr gebe es dort schon länger ein strukturelles Problem, betont die Wissenschaftlerin, die auch die Bundesregierung berät.

Gibt es nicht genügend Kapazitäten im deutschen Schulsystem, um Flüchtlingskinder zu beschulen – wie es die UN-Kinderrechtskonvention vorschreibt? Das Foto zeigt ein Mädchen aus Syrien in einem Passauer Flüchtlingsheim 2015. Foto: Shutterstock / Jazzmany

Glorius hält bestehende Probleme bei der Integration von Flüchtlingen für lösbar. Es helfe, «die Potenziale zu sehen und nicht immer nur die Defizite», sagte sie im Gespräch mit der «Leipziger Volkszeitung». Es werde allerdings viel mehr darüber diskutiert, wie man Migration kontrollieren und abwehren könne und viel weniger darüber, «was man vor Ort tun kann».

Viele Menschen in Deutschland fühlten sich durch die vielen Krisen sehr belastet. «Dann ist es auch viel schwerer, Empathie für andere zu entwickeln», weiß die Professorin für Humangeografie an der TU Chemnitz um die Situation. Aus der Forschung wisse man allerdings, dass umtriebige Menschen – der Pfarrer, eine Bürgermeisterin, Mitglieder im Sportverein – viele mitziehen könnten, «wenn sie sich offen und motivierend zeigen».

Glorius widersprich der Einschätzung, dass die Migration für die Belastung von staatlicher Infrastruktur wie der Schule verantwortlich ist. Vielmehr gebe es dort schon länger ein strukturelles Problem. «Wenn dann noch Menschen von außen dazukommen, dann werden diese Probleme natürlich stärker sichtbar.» Das zeige, dass man nicht langfristig vorausgedacht und investiert habe.

«Migration kann man nicht abdrehen wie einen Wasserhahn»

Sachsens Kultusminister Piwarz hatte unlängst behauptet, Integrationsarbeit in einer Klasse könne nur bis zu einem Anteil von etwa 30 Prozent Schüler mit Migrationshintergrund geleistet werden (News4teachers berichtete). «Das sagen alle Fachleute, darauf beruht auch unser Konzept. Und wenn der Anteil höher ist – und er ist an nicht wenigen Schulen in Sachsen deutlich höher – gelingt eben genau diese Integrationsleistung unsererseits nicht.»

Piwarz führte auch das schlechte Abschneiden Deutschlands in der aktuellen Pisa-Studie darauf zurück. «Schüler, die in Sachsen in die erste Klasse kommen, weisen Entwicklungs- und Leistungsunterschiede von mehr als zwei Jahren auf. Das zeigt, dass etwas falsch läuft.» Er betonte, dass sich die Anzahl von Schülerinnen und Schülern, die aus anderen Ländern stammen, in weniger als zehn Jahren in Sachsen verdreifacht habe. «Das geht nicht spurlos am Bildungssystem vorüber», meinte Piwarz.

«Migration kann man nicht abdrehen wie einen Wasserhahn», sagt nun hingegen Glorius. Wenn man die humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Asylsuchenden ernst nehme, könne man nicht mit dem Argument, es sei kein Platz mehr in der Schule, Menschen an der Grenze abweisen. «Dann muss man sich was ausdenken, wie man es trotzdem hinbekommt.» News4teachers / mit Material der dpa

UN-Kinderrechtskonvention

Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention, die von Deutschland 1992 ratifiziert wurde, postuliert das Recht aller Kinder auf Bildung. Im Wortlaut:

(1)    Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Bildung an; um die Verwirklichung dieses Rechts auf der Grundlage der Chancengleichheit fortschreitend zu erreichen, werden sie insbesondere
a)    den Besuch der Grundschule für alle zur Pflicht und unentgeltlich machen;
b)    die Entwicklung verschiedener Formen der weiterführenden Schulen allgemein bildender und berufsbildender Art fördern, sie allen Kindern verfügbar und zugänglich machen und geeignete Maßnahmen wie die Einführung der Unentgeltlichkeit und die Bereitstellung. finanzieller Unterstützung bei Bedürftigkeit treffen;
c)    allen entsprechend ihren Fähigkeiten den Zugang zu den Hochschulen mit allen geeigneten Mitteln ermöglichen;
d)    Bildungs- und Berufsberatung allen Kindern verfügbar und zugänglich machen;
e)    Maßnahmen treffen, die den regelmäßigen Schulbesuch fördern und den Anteil derjenigen, welche die Schule vorzeitig verlassen, verringern.
(2)    Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Disziplin in der Schule in einer Weise gewahrt wird, die der Menschenwürde des Kindes entspricht und im Einklang mit diesem Übereinkommen steht.

Quelle: www.kinderrechte.de/kinderrechte/un-kinderrechtskonvention-im-wortlaut/#c3237

CDU macht Flüchtlingskinder für den Bildungsnotstand verantwortlich – Merz: „Asylkrise ist auch eine Frage der Bildungspolitik“


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